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AutorenbildEva Heinz-Zentgraf

Der Solidaritätszuschlag – Mythos und Realität

Ein blau-grüner Drache - Mythos oder Realität?


Kürzlich bin ich im Zuge meines Unterrichts mit meinen zukünftigen Handwerksmeistern wieder über den Solidaritätszuschlag gestolpert.

 

Immer wieder hört man die Behauptung, dass dieser längst abgeschafft wurde. Von wegen! Tatsächlich ist die Realität viel komplexer, und es lohnt sich, einen genauen Blick auf den Solidaritätszuschlag, seine Geschichte und seine aktuelle Situation zu werfen.

 

 

Der Ursprung des Solidaritätszuschlags

 

Der Solidaritätszuschlag, oft kurz „Soli“ genannt, wurde 1991 eingeführt, um die Kosten der deutschen Einheit sowie die Finanzierung des Golfkriegs und die Unterstützung der neuen Bundesländer zu decken. Zunächst war er als temporäre Maßnahme gedacht, wurde aber im Laufe der Jahre immer wieder verlängert und angepasst.

 

Der Solidaritätszuschlag beträgt 5,5% der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer und wurde für alle Steuerpflichtigen erhoben. Die Einnahmen aus dem Soli sollten vor allem den Aufbau Ost unterstützen und strukturelle Ungleichheiten zwischen den alten und neuen Bundesländern ausgleichen.

 

 

Die Entwicklung bis heute

 

Über die Jahre hinweg wurde immer wieder über die Abschaffung des Solidaritätszuschlags diskutiert. Tatsächlich gab es zum 1. Januar 2021 eine entscheidende Änderung: Der Solidaritätszuschlag wurde für rund 90% der Steuerzahler abgeschafft oder reduziert.

 

 

Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995

 

Am 14. November 2019 hat der Bundestag das Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 beschlossen. Dieses Gesetz sieht vor, dass der Soli seit 2021 für rund 90 Prozent der bisherigen Soli-Zahler bei der Einkommensteuer komplett entfällt.

 

So zum Beispiel im Jahr 2022 für Alleinstehende mit einem Bruttojahresverdienst von bis zu 75.000 Euro. Allerdings bleibt der Soli bei Kapitalerträgen weiterhin bestehen.

 

 

Freigrenzen und Milderungszonen

 

Freigrenzen 2021-2024

Die jährliche Freigrenze, bis zu der kein Soli anfällt, wurde deutlich erhöht. Bei Einzelveranlagten stieg sie 2021 von 972 Euro auf 16.956 Euro, bei Zusammenveranlagten von 1.944 Euro auf 33.912 Euro. Diese Freigrenze wurde 2023 auf 17.543 Euro (für Paare 35.086 Euro) und 2024 auf 18.130 Euro (für Paare 36.260 Euro) angehoben.

 

Das bedeutet: Beträgt die tarifliche Einkommensteuer 2024 höchstens 18.130 Euro (beziehungsweise 36.260 Euro bei Verheirateten), fällt kein Soli mehr an.

 

 

Milderungszone

Seit 2021 werden weitere rund 6,5 Prozent der Steuerzahler geringer belastet, darunter auch Personen mit etwas höheren Einkommen. Diese Steuerpflichtigen bewegen sich innerhalb der sogenannten Milderungszone.

 

Sie verhindert sprunghafte Belastungsanstiege, indem der Soli mit steigendem Einkommen allmählich ansteigt, bis er den vollen Satz von 5,5 Prozent erreicht.

 

Ein Beispiel aus 2022: Ein kinderloser Single mit 80.000 Euro brutto im Jahr zahlt 1,3 Prozent Soli auf seine Einkommensteuer. Bei einem Einkommen von 100.000 Euro steigt der Soli auf 4,5 Prozent.

 

 

Keine Entlastung für Besserverdienende und Kapitalanleger

 

Besserverdienende

Rund 3,5 Prozent der Steuerzahler müssen den Soli auch weiterhin in voller Höhe zahlen. Laut Bundesfinanzministerium ist dies der Fall, wenn 2022 das zu versteuernde Einkommen über 96.409 Euro (Alleinstehende) bzw. 192.818 Euro (Verheiratete) liegt, was einem Bruttoverdienst von etwa 110.500 Euro für Alleinstehende entspricht.

 

Kapitalanleger

Für erfolgreiche Anleger bleibt der Solidaritätszuschlag ebenfalls bestehen. Auf Kapitalerträge wie Zinsen, Dividenden und Gewinne aus dem Verkauf von Aktien und Fonds fällt weiterhin der Soli an, sofern sie den Sparerpauschbetrag von 1.000 Euro im Jahr (bis 2022: 801 Euro) überschreiten.

 

Zusätzlich zu den 25 Prozent Abgeltungssteuer müssen Anleger dann auch 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag zahlen. Diese Steuern werden von den Banken anonym an die Finanzverwaltung abgeführt. In den meisten Fällen ist eine Steuererklärung für Kapitalerträge nicht erforderlich, es sei denn, man möchte eine Korrektur beantragen.

 

Körperschaftsteuer

Unternehmen wie GmbHs oder AGs sind ebenfalls nicht von der Entlastung betroffen und müssen weiterhin den vollen Solidaritätszuschlag auf die Körperschaftsteuer zahlen.

 

 

Quintessenz

 

Der Solidaritätszuschlag ist ein gutes Beispiel dafür, wie eine ursprünglich als temporär gedachte Steuer über Jahrzehnte bestehen bleiben kann und immer wieder den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasst wird.

 

Auch wenn die Mehrheit der Steuerzahler heute vom Solidaritätszuschlag befreit ist, bleibt er für Spitzenverdiener und Unternehmen eine relevante Größe. Die Diskussion um seine endgültige Abschaffung oder Beibehaltung wird uns sicherlich noch einige Zeit begleiten.

 

Wer sich also gefragt hat, ob der Soli wirklich abgeschafft wurde: Die Antwort lautet nein, aber für viele Steuerzahler hat sich die Situation deutlich entspannt.

 

Die rechtlichen und politischen Debatten um den Solidaritätszuschlag werden uns jedoch weiterhin begleiten, und es bleibt spannend, welche Entscheidungen in Zukunft getroffen werden.

 

Mit diesem Hintergrundwissen sind Sie nun bestens gerüstet, um die nächsten Diskussionen über den Solidaritätszuschlag fundiert und informiert zu führen 😉

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